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Unterscheidungen die den Unterschied machen

Dynamik meistern: Wie Unternehmen mit Denkwerkzeugen ihre Probleme richtig verstehen

So gelingt der Spagat zwischen Kompliziertheit und Komplexität

Stefan Willuda
11 min read4 days ago

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Hatten Sie es schon einmal mit einem toten Problem zu tun? Nein? Mit einem lebendigen vielleicht? Wahrscheinlich weder noch. Nicht, weil es weder das eine noch das andere gäbe, sondern weil Sie wahrscheinlich diese Unterscheidung noch nicht vorgenommen haben. Versuchen wir es mit einer anderen Unterscheidung: Hatten Sie es schon einmal mit einem komplizierten Problem zu tun? Mit einem komplexen?

Dies ist eine Sekundärveröffentlichung dieses Textes. Die Primärquelle finden Sie unter https://www.betahof.de/das-magazin/dynamik-meistern-mit-denkwerkzeugen/

Im allgemeinen Sprachgebrauch gehen diese beiden Begriffe — kompliziert und komplex — schnell durcheinander. Kompliziert, komplizierter, komplex — so lautet häufig die Steigerung. Doch leider ist das nicht nur falsch, sondern auch irreführend. Unterscheiden wir Kompliziertes und Komplexes nicht, werden wir blind für die Dinge, die sich unserer Kontrolle entziehen. Wir versuchen zu wissen, was wir nicht wissen können oder zu steuern, was sich unserer Steuerung entzieht. Während diese Blindheit im Privaten eher selten ernsthafte Konsequenzen hat, ist der resultierende Schaden für Organisationen immens. So entsteht etwa überbordende Bürokratie oder versiegt Verantwortungsübernahme und Entscheidungswille. Deshalb ist es für Menschen, die sich mit der Gestaltung von Organisationen und Abläufen befassen, so wichtig, Kompliziertes und Komplexes unterscheiden zu können. Doch der Reihe nach.

Der folgende Text verdichtet die Gedanken des Vortrags von Dr. Gerhard Wohland* “Über moderne Unternehmensführung”, den er im Rahmen des “Future Leadership Camp 2013” gehalten hat. https://www.youtube.com/watch?v=PlMi5HBGssI

Es gibt eine zentrale Frage, mit der sich viele Unternehmen beschäftigen: Wie gelingt es, eine dynamikrobuste Organisation aufzubauen? Dynamikrobust bedeutet, eine Organisationsstruktur zu schaffen, die in der Lage ist, mit unvorhersehbaren Veränderungen umzugehen, ohne dabei ins Wanken zu geraten. Eine Organisation, die sich immer wieder an Veränderungen anpassen kann, ohne dabei Anpassungsschmerzen zu erleben, die erheblich von der eigentlichen Leistungserbringung ablenken. Interessanterweise entstehen solche Organisationen im Kleinen immer wieder spontan — Inseln der Dynamik in einem Meer der Routine, eine Mikro-Organisation inmitten der bestehenden Organisation. Sie entwickeln sich an unerwarteten Orten und verschwinden oft wieder genauso schnell wie sie entstanden sind. Das Problem dabei: Es wird in der Regel weder den Grund des Entstehens noch des Vergehens verstanden. Das, was nicht verstanden wird, lässt sich nicht bewahren — und was nicht bewahrt wird geht verloren. Auch fehlt das Verständnis dafür, wie sich die zufällig einstellenden Strukturen für eine ganze Organisation sinnvoll nutzen lassen.

Denkwerkzeuge als Navigationshilfe in einer komplexen Welt

In den späten 1970er Jahren kam die Zeit der weiten Massenmärkte zu einem Ende und die seit dem Beginn der Industrialisierung durch Standardisierung und dem geringen Wettbewerb weitgehend verdrängte Dynamik der Märkte kehrte zurück — seit dem mit zunehmender Geschwindigkeit.

Dynamik bedeutet in diesem Zusammenhang, dass Überraschungen und unvorhersehbare Veränderungen eintreten, unvermeidlich. Damit ist Dynamik nicht nur eine Herausforderung, sondern eine Realität, der sich Organisationen stellen müssen. Bemerkenswerterweise sind Organisationen bei dem Versuch mit Dynamik umzugehen nicht selten Opfer des eigenen Erfolges. In der Logik der industriellen Welt wurde die Effizienz durch stark standardisierte Prozesse so weit erhöht, dass die Fähigkeit der Organisationen zur Anpassung an neue, unerwartete Veränderungen erheblich eingeschränkt wurde. Das einstige Erfolgsmodell — die Standardisierung mit hoher lokaler Effizienz — wird zum Verhinderer für zukünftigen Erfolg. Die gestiegene Dynamik, führt dazu, dass die statischen Strukturen, die Jahrzehnte lang Garanten für effiziente, wirtschaftliche Organisationen waren, die Grenzen ihrer Anpassungsfähigkeit erreichen. Die Dynamik in der Welt führt zu einem Scheitern der auf Plänen, festen Strukturen, definierten Abläufen und Steuerung fußenden inneren Organisation, weil die Bedingungen der Umgebung sich zusehends schneller ändern, als innerhalb der Organisationen darauf reagiert werden kann. Hinzukommt, dass qualifizierte und selbstbewusste Arbeitnehmer:innen innerorganisationale Dynamik verstärken.

Um zu lernen mit dieser Dynamik umzugehen, helfen Denkwerkzeuge. Sie können für ein besseres Verständnis für die Folgen der Dynamik in Unternehmen sorgen und unterstützen, Funktionierendes bewusst zu bewahren.

Die folgenden Unterscheidungen können als grundlegende Denkwerkzeuge genutzt werden. Weitere Denkwerkzeuge stellt Dr. Gerhard Wohland unter https://dynamikrobust.com/denkzettel/ vor.

Über den Unterschied von Wissen und Können

In den meisten Unternehmen wird geglaubt, dass sich alle Probleme lösen lassen, wenn nur genug Wissen gesammelt würde. Das ist durchaus ein valider Ansatz — solange das Problem auf fehlendem Wissen basiert. Aber was tun, wenn eine fremde Idee auf den Markt kommt, eine Innovation, die das Unternehmen in Bedrängnis bringt? Hier reicht Wissen allein nicht aus. Wissen hilft nur, wenn das Problem mit dem, was man schon weiß, in Verbindung steht. Wenn jedoch eine neue Idee im Spiel ist, muss man selbst kreativ werden, denn zu einer ganz neuen Idee fehlt das Wissen.

Die häufigsten Fragen in wissensorientierten Unternehmen beginnen mit “Wie…?”. Wie macht es der Wettbewerber? Wie sind dazu die Best Practices? Wie empfielt uns der Berater, es zu lösen? Diese Fragen übersehen die zentrale Unterscheidung zwischen Statik und Dynamik, zwischen kompliziert und komplex, zwischen einem toten Problem und einem lebendigen.

Statik oder Kompliziertheit wird charakterisiert durch das Maß unserer Unwissenheit. Anders gesagt: Je mehr wir über einen Sachverhalt wissen, desto einfacher stellt sich dieser dar. Das ist die Domäne der Experten mit viel Wissen, der Best Practices oder der Standards. Von einem toten Problem zu sprechen ist passend, denn der Charakter des Problems ändert sich nicht mehr. Einmal durchdrungen, können die Lösungsansätze für immer beibehalten werden.

Dynamik oder Komplexität hingegen wird charakterisiert durch das Maß an Überraschung. Überraschungen resultieren aus lebendigen Akteuren, die Ideen hervorbringen oder ihrerseits auf Ideen anderer reagieren und damit Folgeeffekte auslösen, die in ihrer Wirkung nicht sicher antizipiert werden können. Probleme in dieser Domäne können als lebendig beschrieben werden, da einmal gefundene Lösungsansätze nicht dauerhaft zuverlässig funktionieren und immer wieder an sich ändernde Kontexte angepasst werden müssen.

In den Unternehmen in denen geglaubt wird, dass sich alle Probleme mit Wissen lösen lassen, wird vielfach auch geglaubt, dass man Ideen systematisch durch Wissen und Prozesse erzeugen kann. Das ist ein Irrtum. Ideen entstehen nicht durch Wissen, sondern durch Können — durch Fähigkeiten, die tief in einer Person verankert sind, durch etwas, das wir als “körperliche Intelligenz” — Intuition — bezeichnen. Können kann man nicht einfach beschreiben oder lehren. Es ist eine Fähigkeit, die man durch Übung und Erfahrung entwickelt, oft auf eine Weise, die sich dem Verstand entzieht. Ideen entstehen spontan, durch Könnerschaft, nicht durch das bloße Anwenden von Regeln. Für effiziente Wissensorganisationen ein Paradigmenwechsel.

Dieser für z.B. Handwerker nachvollziehbare Gedankengang stellt die meisten Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen. Ein Unternehmen kann seine Mitarbeiter nicht einfach auf Seminare schicken, um Könnerschaft zu entwickeln. Das macht Seminare nicht unsinnig. Es gibt viele Anwendungsfälle, in denen es um den Erwerb von Wissen geht. Gute Seminare können den Wissenserwerb unterstützen, doch für den Aufbau von Könnerschaft und für die Entwicklung von Ideen braucht es Räume zum Üben und Scheitern — denn Scheitern ist der Ausgangspunkt jeder Innovation.

Tote Probleme lassen sich mit Wissen lösen. Die Frage nach dem “Wie…?” ist zweckmäßig und führt, wenn das Problem gut genug verstanden ist, schnell zu einer passenden Lösung. Lösungen zu toten Problemen lassen sich kodifizieren und können so zuverlässig reproduziert werden, bis hin zur vollständigen Automatisierung.

Lebendige Probleme lassen sich mit Können lösen. Statt der Frage nach dem “Wie…?” braucht es die Frage “Wer…?”, um gut auf das Problem reagieren zu können. “Wer…?” sucht nach den Könnern der Organisation und bringt diese mit dem Problem zusammen. Lösungen zu lebendigen Problemen lassen sich nicht zuverlässig reproduzieren und können deshalb auch nicht nachahmbar kodifiziert werden. Es bleibt die Domäne der Menschen mit Ideen.

Über den Unterschied zwischen Regel und Prinzip

Eine in Unternehmen übliche Form, die Lösung von komplizierten, toten Problemen zu kodifizieren ist das Formulieren von Regeln. Regeln beschreiben den einen besten Weg. “Mache etwas so, dann ist es richtig.” Das Konzept des Scientific Management des Frederic Taylor fußt auf dieser Idee des einen besten Wegs. Im Kontext statischer, mit Wissen lösbarer Probleme ist das ein kluges Handeln, stellt es doch sicher, dass die Wege, wie etwas zu machen ist, nicht immer wieder verschwenderisch und langsam neu gefunden werden müssen. An die Stelle von Entscheidungen treten Regeln.

Auch für komplexe, lebendige Probleme existiert berechtigterweise der Wunsch nach einem kodifizierten Umgang, um bei auftretenden Problemen “richtig” zu handeln. Die Schwierigkeit dabei ist jedoch, dass es von dem Kontext der jeweiligen überraschenden Situation abhängig ist, was genau eine “richtige” — oder besser eine passende — Lösung sein könnte. Eine Regel liegt dabei sicher daneben. Mehr noch: Ob etwas “richtig” ist oder nicht ist im Vorhinein nicht sicher zu wissen. Es bleibt so lange ungewiss, bis die Effekte des Handelns sichtbar werden. Akteure handeln in einem komplexen Umfeld folglich immer unter Unsicherheit. Statt Regeln braucht es Entscheidungen, wobei Entscheidungen stets unter Unsicherheit und Risiko getroffen werden.

Das dynamikrobuste Gegenstück zur Regel ist das Prinzip. Ein Prinzip ist ein allgemeiner Grundsatz, der dem Menschen in seinem Denken und Handeln als Leitbild dient. [https://www.dwds.de/wb/Prinzip#d-1-2] Das Prinzip gibt damit nicht vor, wie genau etwas zu tun ist, sondern mit welcher Absicht die Problemlösung erfolgen sollte. Anders als Regeln überlassen Prinzipien den Handelnden Akteuren die Freiheit der Entscheidung unter Unsicherheit. Eine Freiheit, die mit hoher Könnerschaft leichter anzunehmen ist.

Methode oder Werkzeug

Für komplizierte Sachverhalte, die einen gewissen Umfang erreicht haben, genügen einzelne Regeln nicht mehr aus, um das Handeln der agierenden Menschen zielgerichtet zu leiten. Regeln werden dann zu Methoden zusammengefasst. Wie bei der einzelnen Regel auch lassen sich Methoden übertragen, wenn der Kontext der Problemstellung identisch ist, wenn also das gleiche statische Problem vorliegt.

Haben es Organisationen mit Dynamik zu tun sind Methoden zu statisch. Sie verursachen Probleme, statt diese zu lösen. Dynamikrobuste Organisationen setzen auf Werkzeuge, um bestimmte Prinzipien handlungsleitend zu übersetzen. Erneut wird die Verbindung zu Könnern sichtbar. Werkzeuge benötigen geübte Anwender, um nützlich zu sein. Werkzeuge lassen Anwendungsoptionen zu und bedürfen der Deutung durch Könner:innen. Die Unterscheidungen dieses Textes sind Werkzeuge — Denkwerkzeuge — die mit etwas Übung helfen, in komplexen Situationen den Durchblick zu bewahren und passende Lösungsansätze zu entwickeln.

Prozess oder Projekt

Effiziente Organisationen definieren Prozesse. Prozesse bringen Regeln und Methoden in eine zeitliche Abfolge und gestalten die Orchestrierung komplizierter Wertschöpfungsleistungen. Gut beschrieben erlauben sie es den handelnden Akteuren, zu jedem Zeitpunkt richtig und verschwendungsarm zu handeln. Große Organisationen, wie wir sie heute kennen, ließen sich nur durch die Ausgestaltung solcher umfangreicher Prozesse aufbauen. Ein Erfolgsmodell.

Doch braucht dieses vermeintliche Erfolgsmodell sehr spezifische Rahmenbedingungen, um tatsächlich erfolgreich zu sein — eine statische Umgebung ohne Veränderungen der Ausgangsbedingungen, eine Umgebung ohne Überraschungen. Da solche Rahmenbedingungen nicht immer vorzufinden sind, hat sich neben dem Prozess das Projekt als alternative temporäre Organisationsform etabliert. Projekte fassen Personen und Werkzeuge zu Sinneinheiten zusammen und helfen so lebendige Probleme zu bearbeiten. Projekte werden häufig eingesetzt, wenn etwas Neues entwickelt oder eine Veränderung stattfinden soll.

Die Segnung der Steuerung und die Notwendigkeit dezentraler Selbstführung

Wissen ist in Organisationen ungleich verteilt. Es war der intelligente Schachzug des frühen Fordismus, diesen Wissensunterschied zur Gestaltung von Organisationen zu nutzen. Menschen, die um den einen richtigen Weg — etwa ein Produkt zu fertigen — wussten, konnten durch die Vorgabe von Regeln, Methoden und Prozessen andere Menschen in ihrem Handeln steuern. So konnten selbst über zeitliche und räumliche Distanzen hinweg Menschen angeleitet werden, die selbst nicht wussten, wie ein totes Problem gelöst werden kann. So ist der Siegeszug der Massenfertigung zu erklären. Diese Wissenden wurden organisationsstrukturell mit der erforderlichen Autorisierung ausgestattet, um das Handeln ihrer Mitarbeitenden zu steuern. Das Berufsbild des Managers entstand.

Zwangsläufige Begleiterscheinung der Steuerung war die Planung. In den Zeiten der statischen, leeren Massenmärkte wurden erwartete Absätze geplant und durch Vorgaben “steuerungsfähig” operationalisiert. Planung kann jedoch nur dann von Erfolg gekrönt sein, wenn die Zukunft (weitgehend) gewiss ist. Ist die Zukunft ungewiss, dann ist die Planung zwangsläufig irrig und alle Steuerungsimpulse, die sich an der Planung ausrichten sind Fehlsteuerungen, die sich von der tatsächlichen Entwicklung in der Umwelt der Organisation — dem Markt — entkoppeln.

Dynamikrobuste Organisationen hingegen stärken in komplexen Märkten die dezentrale Verantwortungsübernahme und Entscheidungen unter Unsicherheit durch Könner:innen, statt zentral Steuerung ausüben zu wollen — sie lassen das Phänomen der Führung wirken. Führung wird in diesem Zusammenhang als ein soziales Phänomen verstanden, das in einem komplexen Netzwerk von Interaktionen und Kommunikationen eingebettet ist. Führung ist demnach eine Funktion der organisationalen Strukturen. Führungsleistungen im Kontext dynamikrobuster Organisationen basieren nicht auf formeller Macht, sondern auf individueller Reputation. Menschen fragen nach Rat und erhalten diesen von Menschen mit Könnerschaft. Wird diese Führungsleistung an formeller Macht gekoppelt, wird ein Rat zur Anweisung — und steht damit individueller Verantwortungsübernahme in dynamischen Umgebungen im Wege.

Strategie und Vorbereitung statt Planung und Kontrolle

In einem Umfeld, das ständig Überraschungen bereithält und das sich nicht voraussagen lässt, sind klassische Zielsetzungs- und Plansysteme notorisch überfordert. Dynamikrobuste Organisationen ersetzen den Plan mit Vorbereitung und Strategie. Strategien erklären Absichten und schränken den Optionsraum ein, ohne dabei explizite Vorgaben über auszuführende Schritte zu definieren. Eine Strategie schafft einen leeren Handlungsraum — einen Raum, in dem Menschen vorbereitet, eigenverantwortlich handeln können, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Die Grenzen dieses Handlungsraums werden durch die bereits beschriebenen Prinzipien definiert, nicht durch Regeln. Dabei ist Strategie eine Leistung die von Könner:innen mit Einblick und Intuition für den Kontext der Strategie erbracht wird. Diese Leistungserbringung ist nicht an formelle Macht gekoppelt. Eine Trennung in “strategisch” und “operativ” ist wie die Trennung zwischen denken und handeln. Sie ist für dynamische Umfelder unzweckmäßig. Hier gilt es Denken und Handeln konsequent zu integrieren.

Ein Fußballspiel ist ein Beispiel für ein dynamisches Geschehen: Es gibt keinen festen Plan, dem jeder Spieler folgt. Stattdessen gibt es eine Strategie, die die Spieler befähigt, auf das zu reagieren, was auf dem Spielfeld passiert. Sie müssen Entscheidungen treffen, ohne dass ihnen jemand sagen kann, welche Entscheidung richtig ist. Diese Entscheidungen basieren auf Können, auf Erfahrung, auf dem Gespür für die Dynamik des Spiels — nicht auf Wissen. Führung in dynamischen Umgebungen bedeutet, Handlungsräume zu schaffen und Menschen zu ermöglichen, sich in ihnen zu bewegen.

Verstand oder Gefühl — das ultimative Denkwerkzeug

Die zu konstatierende Dynamik, der sich neuzeitliche Organisationen ausgesetzt sehen, zeigt die Notwendigkeit zentraler Unterscheidungen auf: Zwischen Kompliziertheit und Komplexität, Verstand und Gefühl, zwischen Wissen und Können und zwischen Steuerung und Führung. Eine Vielzahl heutiger Belastungssituationen in Organisationen, wie etwa lähmende Bürokratie, lange Entscheidungswege oder moderne Zivilisationskrankheiten (wie Burn- oder Boreout) sind unmittelbar mit der unzureichenden Unterscheidungsfähigkeit der handelnden Akteure verbunden.

Die Gute Nachricht: Menschen sind von Natur aus in der Lage mit Dynamik umzugehen, denn sie sind lebendig. Gelingt ihnen der Umgang mit Dynamik im Kontext einer Organisation nicht, kann dies an den Rahmenbedingungen ihres Handelns liegen. Fehlen die Freiheitsgrade, um sich anpassen zu können, kann dies Menschen überfordern. Langfristig ist zu erwarten, dass ein Großteil der komplizierten Arbeiten systematisch automatisiert werden, während die komplexen weiter ideal zu den Menschen passen.

Mehr als entweder oder — Die Realität ist dual

Die in diesem Text vorgestellten Unterscheidungen lassen sich in der organisationalen Realität nicht immer so trennscharf zur Anwendung bringen, denn Problemstellungen des Alltags sind nur selten eindeutig kompliziert oder eindeutig komplex. Stattdessen lassen sich komplizierte und komplexe Anteile erkennen, die eine duale Reaktion der Akteure erfordert — sowohl auf der Grundlage von Wissen als auch von Können, unter Anwendung von Regeln und auch Prinzipien. Effizienz bleibt im unternehmerischen Wettbewerb weiterhin unverzichtbar, sodass es entscheidend für die handelnden Akteure ist, die Grenzen des statisch Wiederholbaren herauszuarbeiten und eben nur so weit zu Regeln, wie dies zweckdienlich ist. Gleichzeitig gilt es die Handlungsräume der Könner maximal zu weiten, um einen sinnvollen Umgang mit Überraschungen zu ermöglichen und Ideen als Ressource für die Wettbewerbsvorteile der Zukunft zu nutzen.

* Über Dr. Gerhard Wohland

Dr. Gerhard Wohland ist Physiker und Unternehmensberater, bekannt für seine Forschung und Arbeit im Bereich der Dynamik und Anpassungsfähigkeit von Organisationen. Er ist spezialisiert auf die Entwicklung von sogenannten “Denkwerkzeugen”, die Unternehmen helfen sollen, in einer zunehmend komplexen und sich schnell verändernden Welt erfolgreich zu bleiben. Wohland gilt als Vordenker der modernen Organisationsentwicklung, der die Unterscheidung zwischen Kompliziertheit und Komplexität betont und innovative Ansätze zur Förderung von Eigenverantwortung, dezentraler Führung und kreativer Problemlösung vertritt. Sein Institut für Management und Komplexität in Frankfurt berät seit Jahren Organisationen bei der Umsetzung dynamikrobuster Strukturen.

Weitere Denkwerkzeuge von Dr. Wohland sind auf dessen Internetseite zu finden: https://dynamikrobust.com/denkzettel/

Kontakt

Ihr findet mich auf LinkedIn [https://www.linkedin.com/in/stefanwilluda/] oder unter betahof.de.

Vertiefende Quellen

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Stefan Willuda

BetaCodex Consultant | Co-Founder of Beta Hof Consulting | Organisational Development | TOC Enthusiast | I believe that a humane global economy is possible.